Der Einfluss sozialer Netzwerke im Cyberwar – Aufschlussreicher Vortrag an der Marienschule

GSP Vortrag Ukraine

Der Einfluss sozialer Netzwerke im Cyberwar – Aufschlussreicher Vortrag an der Marienschule

Als ersten Cyberwar in der Weltgeschichte bezeichnete Mykhailo Fedorov, stellvertretender Ministerpräsident und ukrainischer Minister für digitale Transformation, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Hierauf bezugnehmend erläuterte die aus der Ukraine stammende Rechtswissenschaftlerin Polina Kulish den Jugendlichen in ihrem Vortrag an der Marienschule, welchen Einfluss soziale Medien auf die Kriegsführung haben. Polina Kulish kam vor drei Jahren nach Deutschland und arbeitet als Doktorandin am Lehrstuhl für internationales Recht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Veranstaltung richtete sich an die Schülerinnen und Schüler der Einführungsphase und wurde von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik initiiert.

„Medien, insbesondere soziale Netzwerke, sind ein äußerst wirksames Instrument gegen Desinformation, Leugnung und Propaganda“, machte Kulish ihrem mit TikTok, Twitter, Instagram & Co. vertrautem Publikum deutlich. Da die Journalisten in der Ukraine nicht alle Geschehnisse mitbekommen und dokumentieren können, sorgen Privatpersonen aktuell mit dafür, dass soziale Medien als Chroniken des Kriegs fungieren. „Die Menschen in der Ukraine zeichnen Beweise für Kriegsverbrechen auf und veröffentlichen diese Beweise in sozialen Netzwerken. So können Namen und Aufenthaltsorte von Militärpersonen auch im Nachhinein ermittelt werden – niemand, der ein Kriegsverbrechen begeht, bleibt in der heutigen Zeit anonym“, betonte die Doktorandin. Mithilfe von Apps wie E-Enemy übermitteln ukrainische Zivilistinnen und Zivilisten beispielsweise Informationen über die Bewegungen russischer Truppen.

Auf politischer Ebene werden digitale Werkzeuge zudem dazu genutzt, bestimmte Accounts von russischen Meinungsmachern zu blockieren. Der Schutz der digitalen Infrastruktur ist essenziell, um sicherzustellen, dass offizielle Informationen, zum Beispiel auf der Webseite der ukrainischen Regierung, zuverlässig zugänglich sind und nicht manipuliert werden.

Auf persönlicher Ebene erzeugen die Fotos, Texte und Aufrufe in sozialen Netzwerken Empathie. Menschen aus vielen verschiedenen Ländern zeigen sich solidarisch und unterstützen mit ihren Spenden die ukrainischen Streitkräfte sowie Menschen und Tiere in Not. Internetberühmtheiten wie der Kater Stepan (@loveyoustepan) posten als „Petfluencer“ plötzlich nicht mehr süße Schnappschüsse, sondern Fotos von Raketenangriffen.

Was Kulish zufolge im Westen von einigen als Reality Show bzw. rein mediales Erlebnis wahrgenommen wird, ist für die Menschen in der Ukraine bittere Lebenswirklichkeit. „Ich erinnere mich an die Statue mitten in der Stadt. Eigentlich trifft man sich dort mit Freunden, hat ein Date. Nun ist alles zerstört. Unsere Lebenswirklichkeit ist seit mehr als drei Monaten eine andere“, verdeutlichte Kulish den Schülerinnen und Schülern. Haben wir uns alle schon an die Kriegsbilder gewöhnt? Nehmen deswegen die Nachrichten zum Krieg in der Ukraine ab? Diese Fragen wurden am Ende der Veranstaltung gemeinsam mit der Moderatorin Fatma Idris, Politikwissenschaftlerin und Journalistin, diskutiert. „Es ist normal, dass die Berichterstattung in Wellen verläuft“, erklärte Kulish in diesem Zusammenhang. „Zuerst ist der Krieg auf der Titelseite jeder Zeitung, danach nimmt das Kriegsgeschehen immer noch eine große Rubrik ein und später sind es nur noch kleine Schlagzeilen.“ Ob Kulish glaubt, dass viele Geflüchtete in Deutschland und anderen Ländern bleiben werden? „Viele möchten zurück in ihre Heimat, irgendwann ihre Stadt wieder aufbauen. Diejenigen, die bleiben, möchten arbeiten, nicht von anderen abhängig sein, sich nützlich machen.“

„Jeder kann durch die eigene Nutzung sozialer Medien aktiv werden“, appellierte die Rechtswissenschaftlerin, deren Familie in der Ukraine lebt und ihr Land nicht verlassen möchte – trotz der großen Bereitschaft der europäischen Nachbarn, ukrainische Geflüchtete ins eigene Haus oder die eigene Wohnung und damit ein Stück weit in die eigene Familie aufzunehmen. In jedem Fall, so das Resümee, brauchen die Menschen in der Ukraine internationale Unterstützung. Soziale Netzwerke bieten hierzu eine höchst wirksame Plattform.

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